Donnerstag, 9. Februar 2012

Arktische Bedingungen im Wattenmeer erhöhen die Sterblichkeit der überwinternden Wasservögel

Arktische Bedingungen während der letzten zwei Wochen lassen das Wattenmeer fast vollständig im Eis erstarren. Dies führt wahrscheinlich zu erhöhter Sterblichkeit bei den im Wattenmeer überwinternden Wasservögeln, vermuten die Experten des “Joint Monitoring of Migratory Birds” (JMMB). Seit über 20 Jahren koordinieren sie zusammen mit dem Gemeinsamen Wattenmeersekretariat ein Programm zur Zählung der Rastvögel im Wattenmeer. Das Engagement vieler ehrenamtlicher Vogelzähler und professioneller Ornithologen rund um das Wattenmeer ermöglicht mehrere koordinierte Zählungen im Jahr, die die Basis für die Trendberechnungen bilden.

Viele Wasservögel leiden unter der schlechten Erreichbarkeit der Nahrung und dem sehr starken Frost, was möglicherweise viele Vögel nicht überleben werden. Die meisten Vögel haben daher das Wattenmeer verlassen und sind weiter nach Süden in wärmere Regionen gezogen. Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Wintern verlief dieser Winter anfangs sehr mild ohne jeglichen Frost. Daher blieben z.B. viele Weißwangengänse, Brandgänse, Pfeifenten, Austernfischer, Kiebitzregenpfeifer, Knutts, Alpenstrandläufer, Brachvögel und sogar Goldregenpfeifer und Kiebitze im Wattenmeer und versuchten hier zu überwintern. Zusätzlich trieben die Stürme der vergangenen Tage ungewöhnlich viel Dreizehenmöwen und Zwergmöwen an die Küste, es wurden sogar so seltene Arten wie Eis- und Polarmöwen beobachtet.




Der plötzliche Wintereinbruch hat die Vögel völlig überrascht. Am 26. Januar begann die Kälteperiode verbunden mit starken Ostwinden, was dazu führte, dass fast das gesamte Wattenmeer von Dänemark bis in die Niederlande innerhalb weniger Tage vereiste. Mittlerweile sind die hoch gelegenen Wattflächen alle von einer mächtigen Eisschicht bedeckt. Die Vögel konzentrieren sich in den wenigen niedrig gelegenen Wattflächen, die noch eisfrei sind. Nur hier finden sie – wenn überhaupt – Nahrung. Die meisten Vögel haben daher das Wattenmeer geräumt. Vor allem Pflanzenfresser wie Gänse und Pfeifenten reagierten schnell und flogen zurück in mildere Regionen, aber auch die Zahl der Watvögel nahm sehr schnell ab. Tausende von Ringelgänsen, die gerade erst im nördlichen Wattenmeer angekommen waren, machten sofort wieder kehrt, als Ende Januar der Wintereinbruch begann.

Die extreme Kälte stellt für alle diese Vögel eine große Gefahr dar. So wurden nach der bisher kältesten Nacht vom 6. auf den 7. Februar mit unter Minus 15°C mehr als 90 tote Watvögel von freiwilligen Mitarbeitern der Schutzstation Wattenmeer an der Schleswig-Holsteinischen Küste vor allem vor Büsum und am Weststrand von Sylt gefunden. Es waren vor allem Austernfischer, aber auch zwei Knutts, 10 Alpenstrandläufer, ein Sanderling, fünf Rotschenkel und zwei Steinwälzer. Offensichtlich haben sie nicht genug Nahrung gefunden und hatten keine ausreichenden Fettreserven, so dass sie letztendlich erfroren sind.

Falls die Kältewelle anhält, ist zu erwarten, dass weitere Vögel verhungern und erfrieren. Besonders bei den Austernfischern könnte das sogar Auswirkungen auf die Population haben, denn der Bestand ist in den letzten 20 Jahren schon um 50% eingebrochen. Diese Art leidet zum einen in weiten Bereichen des Wattenmeeres unter Nahrungsmangel, der auf die bis vor wenigen Jahren noch durchgeführten Muschelfischerei im niederländischen Wattenmeer zurückzuführen ist, zum anderen hat sie hat sie schon länger keinen ausreichenden Bruterfolg mehr, wie durch das seit kurzem durchgeführte wattenmeerweite Bruterfolgsmonitoring deutlich wurde.