Dienstag, 5. Juli 2011

Brandseeschwalben und Lachmöwen halten zusammen

Lautes Gezeter in der Luft, wilde Luftakrobaten beschweren sich über unseren Besuch im Ostvorland der Insel Neuwerk. Man kann den Flugangriff verstehen, sind Seeschwalben und Möwen doch mitten im Brutgeschäft und haben Angst um Gelege und Nachwuchs. Wir halten uns an die Wegeregelung und bleiben in einigem Abstand ruhig stehen, um dieses Spektakel beobachten zu können. Fernglas und Spektiv sind kaum nötig, da die eindrucksvollen Brandseeschwalben in diesem Jahr wieder einen Spülsaumrest aus dem Winter nah am Weg als Brutunterlage nutzen. Diese Nähe zum Besucherweg ist wirklich erstaunlich, die seltenen Vögel gelten als äußerst störungsempfindlich.
Ihr Gefieder ist weiß gefärbt mit hellgrauer Flügeloberseite. Charakteristisch ist ihre schwarze Kopfkappe, die im Nacken zerzaust wie bei einem Punker wirkt. Verstärkt wird dieser verwegene Ausdruck noch durch den schwarzen Schnabel mit gelber Spitze.
Auf Neuwerk brüten Brandseeschwalben erst seit 2006 mit 171 Brutpaaren. 2009 waren es sogar 567 Paare, im letzten Jahr war die Zahl etwas rückgängig und in diesem Jahr ist die Kartierung noch nicht abgeschlossen. In Deutschland gibt es nur noch wenige Brutplätze der Brandseeschwalben. Ihr Lebensraum ist zunehmend eingeschränkt, da sie ruhige und hochwassersichere Flachbereiche mit sandigem Untergrund benötigen, die an der Küste fast ausschließlich touristisch genutzt werden. Als wichtigster Brutplatz gilt die kleine nordfriesische Hallig Norderoog, wo sie seit vielen Jahren in großen Kolonien brüten.
Ihre recht unscheinbaren Nester liegen so dicht beieinander, dass ihre Gelege bestmöglich gegen den Eier- und Kükenraub durch Silbermöwen geschützt sind, die ganz in der Nähe ihre eigene Kolonie haben. Denn auch bei den Vögeln gibt es Wohngemeinschaften und Nachbarschaftskrieg. Brandseeschwalben verteidigen ihre Nester selbst nicht gegen Angreifer. Daher ist eine Wohngemeinschaft mit brütenden Lachmöwen und Flussseeschwalben von Vorteil, die die eierraubenden Silbermöwen aus der Nachbarschaft attackieren und vertreiben.
Wer meint, für dieses Naturschauspiel die Vogelinsel Scharhörn besuchen zu müssen, wird dort eventuell enttäuscht werden. Vor fünf  Jahren kartierte dort der Vogelwart des Verein Jordsand die letzten Seeschwalbenbrutpaare. Auch Lachmöwen sind dort mittlerweile selten anzutreffen. Die räuberischen Silber- und Heringsmöwen regieren die Vogelinsel in großer Anzahl, so dass es durch den beengten Raum auf der kleinen Insel kaum noch Ausweichmöglichkeiten für das Brutgeschäft der Seeschwalben und Lachmöwen gibt. Außerdem befinden sich auch hier die potentiellen Brutplatzmöglichkeiten in Überflutungsbereichen. So hört man dort zwar das kratzige „kärrik“ gelegentlich überziehender Brandseeschwalben, die aber zum Brüten lieber nach Neuwerk kommen. Hier trennt der große Priel im Ostvorland ihre Kolonie von der rüpeligen Silbermöwennachbarschaft.
Anfang Juni schlüpfen aus den zwei gelegten Eiern, welche abwechslungsweise vom Männchen und Weibchen bebrütet wurden die ersten Küken. Die Küken der Brandseeschwalbe sind polymorph, das heißt sie weisen verschiede Farbvariationen auf. Einige sind auffällig hell gefärbt mit orangem Schnabel andere braun mit grauem Schnabel. Mit  Bauchgefieder und Flügeln werden die Nestlinge vor Witterungseinflüssen und Nesträubern behütet und gewärmt, während der andere Altvogel auf Futtersuche ist. Brandseeschwalben fressen vor allem Sprotten, Heringe, Sandaale und Stinte, so wie Weichtiere und Würmer. Sie fangen ihre Beute, indem sie rüttelnd über dem Wasser stehen und sich schließlich ins Wasser stürzen. Diese Jagdtechnik nennt man Stoßtauchen. Sobald die flüggen Küken selbständig sind, beginnt für die Brandseeschwalben der Zug in ihre  Überwinterungsgebiete nach Südeuropa und Afrika. Und mit ein wenig Glück werden die eleganten Seevögel im nächsten Frühjahr wieder auf Neuwerk – und vielleicht auch irgendwann auf der sich stetig verändernden Insel Scharhörn - brüten.


Stefanie Pfefferli, Imme Schrey


Futter im Anflug                                                                                                Foto: Stefanie Pfefferli

Fast flügge!                                                                                                      Foto: Stefanie Pfefferli

Brandseeschwalbenküken                                                                             Foto: Stefanie Pfefferli



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